Lernvideos im Studium

Verfasst von Felix Brück – Technische Hochschule Mittelhessen – Referat für Digitalisierung

Videos sind im Bereich der digitalen Bildung zu einem probaten Mittel der Wissensvermittlung avanciert und bilden mittlerweile auch den Grundbaustein der meisten kommerziellen E-Learning-Angebote. Im (hoch-)schulischen Alltag traditioneller Lehrinstitutionen sind sie bislang jedoch eher eine Randerscheinung geblieben.
Doch spätestens seit den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung kam es zu erheblichen Einschränkungen in der klassischen Präsenzlehre weltweit, wodurch ein Ausweichen auf digitale Lösungen nötig wurde. So hat das Medium Video wohl zumindest in Form synchroner Videokonferenzen einen festen Platz im studentischen Alltag finden können.
Wie sieht es jedoch mit asynchronen Formaten, also aufgezeichneten Lehr-Lern-Videos, aus? In einer Umfrage unter 105 Studierenden der THM und anderen deutschen Hochschulen im August/September 2021 wurden Fragen zum Thema „Lernvideos im Studium“, deren Verwendung und deren Qualität im Allgemeinen und auf YouTube im Besonderen gestellt. Ziel war es unter anderem, ein Stimmungsbild zum Thema Lernvideos im Studium zu erstellen und Fragen zur qualitativen Beurteilung derselben nachzugehen, die bei der Beurteilung bestehender und der Gestaltung künftiger Videos hilfreich sein könnten.
Nachfolgend eine Zusammenfassung einiger Ergebnisse, die relevant für das Lehren und Lernen mit Videos sein könnten.

Frage: „Bitte wählen Sie den Studienschwerpunkt Ihres Studiums aus.“

An der Umfrage nahmen insgesamt 105 Studierende deutscher Hochschulen teil. Bei über der Hälfte der Teilnehmenden lagen die Studienschwerpunkte in technischen und naturwissenschaftlichen Bereichen. Diese Tatsache hat sicherlich das Stimmungsbild der Umfrageergebnisse geprägt, wodurch sich die Ergebnisse also nicht unbedingt auf Studierende aller bzw. anderer Fächer übertragen lassen können. Es reicht jedoch sicherlich aus, um eine Tendenz erkennen zu lassen.

Grafik 1 – Studienschwerpunkte der Teilnehmenden
Grafik 1 – Studienschwerpunkte der Teilnehmenden

Von ihnen gaben 22 Personen an, ihr Studium während der Einschränkungen der Corona-Pandemie begonnen und noch keinerlei Präsenzveranstaltungen besucht zu haben. Für diese Studierenden ist der Umgang mit dem Medium Video also sicherlich nichts Neues. Tatsächlich gaben über die Hälfte (63%) der Teilnehmenden an, dass ihr Konsum von Lernvideos seit Beginn der Pandemie zugenommen hat. Dagegen gaben lediglich sieben Personen an, außerhalb von Lehrveranstaltungen keine Videos für ihr Studium zu schauen. Die weiteren Fragen, die sich auf Lernvideos beziehen, wurden daher nur von den 98 übrigen Personen beantwortet.

Frage: „Wofür verwenden Sie Lernvideos?“

In einer Multiple-Choice-Frage konnten die Studierenden angeben, für welche Zwecke sie Videos schauen. Die meisten nutzen Videos zur Vorbereitung auf eine Klausur, Referat, Projektarbeit oder ähnlichem und zur Wiederholung.

Grafik 2 – Wofür Lernvideos verwendet werden
Grafik 2 – Wofür Lernvideos verwendet werden

Frage: „Ich bevorzuge Lernvideos mit einer Länge von:“

Dabei werden Lernvideos mit einer Länge von 6 bis 20 Minuten bevorzugt.

Grafik 3 – Bevorzugte Videolänge
Grafik 3 – Bevorzugte Videolänge

Interessant ist hierbei, dass die in der Literatur häufig empfohlene Länge für Lernvideos bei ca. 6 Minuten oder weniger liegt! Ein vielzitiertes Paper, das die Lerngewohnheiten von MOOC-Teilnehmer*innen untersucht, zeigt, dass bei den Lernenden die Aufmerksamkeit und die Bereitschaft sich anschließend weiter mit dem Lerninhalt zu beschäftigen (z. B. Bearbeitung anschließender Aufgaben), nach diesem Zeitraum rapide abnimmt und sie Videos, die länger als 9 Minuten dauern, oft nicht mal bis zur Hälfte durchhalten. So empfiehlt auch die Lernplattform Coursera eine maximale Videolänge von 10 Minuten oder weniger. Größere Lerneinheiten sollten daher idealerweise in kleinere Videos aufgeteilt oder längere Videos zumindest segmentiert werden (etwa durch klare Trennung der Inhalte und durch Zeitsprungmarken, wie es auch auf YouTube und Panopto möglich ist). Auch die Antworten der offenen Freitextfelder der Umfrage zeigen, dass eine kurze und prägnante Inhaltsvermittlung bevorzugt wird und zu lange Videos wie Vorlesungsaufzeichnungen auf Ablehnung stoßen. Kurze Videos haben zudem den Vorteil, dass sie auch bei schlechter Internetverbindung besser geladen werden können. In jedem Fall sollte der Videoplayer jedoch ein Vor- und Zurückspulen und idealerweise auch das Verlangsamen oder Beschleunigen der Abspielgeschwindigkeit erlauben. Auf YouTube und Panopto sind das bereits Standardfunktionen.

Frage: „Ich bevorzuge Lernvideos…“

In einer weiteren Frage konnten die Teilnehmenden angeben, auf welchen Seiten (Mehrfachauswahl) sie Lernvideos bevorzugt schauen.

Grafik 4 – Bevorzugte Quelle für Lernvideos
Grafik 4 – Bevorzugte Quelle für Lernvideos

Interessanterweise finden ausgerechnet Plattformen, die explizit zum Lernen geschaffen wurden, wenig Interesse bei Studierenden. YouTube erfreut sich dagegen einer großen Beliebtheit und erst an zweiter Stelle stehen Videos der eigenen Hochschule. Aus weiteren Fragen geht jedoch auch eine Kritik an Videos anderer Plattformen hervor. Während an YouTube die Vielfalt an Themen, die Anschaulichkeit und unterschiedliche Sichtweisen geschätzt werden, bestehen Zweifel an der Korrektheit der Videoinhalte und Sorge über deren Vereinbarkeit mit dem Lehrplan der eigenen Hochschule. In den Freitextfeldern nannten die Teilnehmenden mehrfach die Kanäle „Mathe by Daniel Jung“ und „simpleclub“. Auch andere Kanäle finden Erwähnung, wie z. B. „Welt der Werkstoffe“ oder „Algorithmen verstehen“. Darunter auch Kanäle von Hochschulen wie die „Universität Wien Physik“ oder von Professoren wie „Christian Spannagel“ und „Stephan Mueller“. Auch Kanäle wie „Kurzgesagt“, die wissenschaftliche Themen kurzweilig und eher als Unterhaltungsformat anbieten werden geschaut.

Frage: „Was macht das Lernen mit YouTube interessant?“

Auf die Frage hin, was das Lernen mit YouTube so interessant macht, nannten die meisten Teilnehmenden die große Themenauswahl. Zudem ist das Angebot auf YouTube kostenlos und ohne Anmeldung verfügbar. Auch die große Anschaulichkeit macht YouTube-Videos attraktiv.

Grafik 5 – Was macht das Lernen mit YouTube interessant?
Grafik 5 – Was macht das Lernen mit YouTube interessant?

Unter „Sonstiges“ wurde außerdem noch genannt:

  • “Schnell erreichbar“
  • „Ergänzung zu herkömmlicher Literatur / Abwechslung“
  • „Einfacher Zugriff. Schnell auffindbar. Immer auf Abruf. Vor/Zurückspulen. Pausieren“
  • „Man wird schnell fündig“
  • „Gute Suchmaschine. Wiedergabegeschwindigkeit einstellbar“

Vor allem die Tatsache, dass sämtliche Videos auf YouTube völlig kostenfrei und ohne Registrierung geschaut werden können, ist sicherlich nicht nur für Studierende interessant, sondern senkt die Zugangshürden zu Lernvideos insgesamt stark herab und ermöglicht theoretisch allen Menschen mit einer Internetverbindung Zugang zu Bildung in Form von Videos auch auf Hochschulniveau. Auf Lernplattformen wie LinkedIn Learning oder Udemy sind die meisten Kurse nur gegen Bezahlung belegbar. Andere Plattformen wie Coursera oder edX bieten viele ihrer Kurse auch kostenlos an, haben aber nicht so eine große Auswahl an Themen oder unterschiedlichen Erklärungsstilen wie sie auf YouTube zu finden sind.

Frage: „Haben YouTube-Videos Vorlesungsinhalte schon einmal besser/verständlicher erklärt als ein/e Dozent/in?“:

In der anschließenden Frage, ob YouTube-Videos Vorlesungsinhalte schon einmal besser/verständlicher erklären konnten als eine Lehrperson, gaben immerhin 38 der Befragten an, dass dies „öfter“ bis „regelmäßig“ der Fall sei. Etwas mehr als die Hälfte sahen dies zumindest „manchmal“ bestätigt.

Grafik 6 – YouTube-Videos verständlicher als Vorlesungen?
Grafik 6 – YouTube-Videos verständlicher als Vorlesungen?

Neben der großen Themenauswahl und der Tatsache, dass YouTube kostenlos ist, wird auch die Anschaulichkeit der Videos dort geschätzt sowie die unterschiedlichen Sichtweisen auf ein Thema. Schließlich gibt es auf YouTube zu beinahe jedem Suchbegriff ein Dutzend verschiedener Videos von unterschiedlichen Kanälen, wohingegen Vorlesungen weniger Freiheiten bieten können. Entsprechend ungünstig ist es, eine Vorlesung 1:1 in ein Lehrvideo umzusetzen. Die Studierenden finden wenig Gefallen an reinen Vorlesungsaufzeichnungen oder Videos, die ausschließlich aus PowerPoint-Folien bestehen, insbesondere dann, wenn einzelne Folien in Überlänge präsentiert werden. Eventuell kann die Formatvielfalt auf YouTube Anreize und Inspiration bieten, Lehr-Lern-Videos anders oder kreativer zu gestalten, um die Lernenden besser abholen zu können. Gerade YouTube wird nicht nur zum Lernen, sondern vor allem auch in der Freizeit verwendet, hier finden sich also solche Formate, an die sich Lernende gewöhnt haben.

Frage: „Wünschen Sie sich mehr Video-Empfehlungen von Lehrenden?“:

Die überwiegende Mehrheit der Studierenden wünscht sich mehr Video-Empfehlungen von ihren Lehrenden. Gründe dafür sind u. a. das fehlende Vertrauen in die Korrektheit der Inhalte aus fremden Quellen. So wünscht sich etwas über die Hälfte der Befragten außerdem Quellenangaben in Videos, idealerweise nicht nur im Beschreibungs-/Begleittext, sondern auch an der exakten Stelle im Video selbst. Eine weitere Befürchtung ist zudem, dass die in einem fremden Video behandelten Inhalte nicht ganz mit dem Lehrplan der eigenen Hochschule übereinstimmen.

Grafik 7 – Mehr Video-Empfehlungen gewünscht?
Grafik 7 – Mehr Video-Empfehlungen gewünscht?

Frage: „Wie sollten Videos künftig (und nach der Pandemie) im Studium integriert werden?“

Auch was den künftigen Einsatz von Videos angeht, sind die Studierenden offen gegenüber einer stärkeren Integration in den Hochschulalltag. Das reicht von ergänzenden Szenarien im Sinne eines Blended-Learning-Konzepts wie dem Flipped Classroom über Ersetzung von Vorlesungen bis hin zu reinen Onlineveranstaltungen. Nur knapp 13% wünschen sich reine Präsenzveranstaltungen.

Grafik 8 – Künftige Integration von Videos im Studium
Grafik 8 – Künftige Integration von Videos im Studium

Abschließend bekamen die Teilnehmenden die Möglichkeit, frei ihre Gedanken über die Vor- und Nachteile von videobasiertem Lernen gegenüber klassischen Vorlesungen zu teilen und darüber, was ihnen spontan zu guten bzw. schlechten Lernvideos in den Sinn kommt. Die Antworten im Folgenden sind sortiert und entweder wortwörtlich übernommen oder sinnhaft zusammengefasst.

Frage: „Welche Vorteile haben Videos beim Lernen gegenüber klassischen Vorlesungen?“

  • Individuelles und flexibles Lernen im eigenen Tempo
  • Eigene und bequeme Orts- und Zeitwahl
  • Jederzeit wiederholbar (z. B. zum Einprägen oder bei Verständnisproblemen, Wiederholung, Nacharbeiten, Klausurvorbereitung)
  • Abspielbar in beliebiger Geschwindigkeit
  • Pausierbar (auch wichtig für Notizen/Skizzen, aber auch bei Unterbrechungen, individuelle Pausen bei Nachlassen der Konzentration)
  • Wahlfreier Zugriff (spulen oder springen zu relevanten Parts)
  • Weniger Ablenkung
  • Aufmerksamkeit bei kurzen höher als bei 2 Stunden Vorlesung
  • Kurze/kompakte und prägnante Vermittlung von Inhalten
  • Abgeschlossene Themen/Lerneinheiten. Bei Vorlesungen werden diese über Wochen/Tage verteilt
  • Durch anschauliche Animationen und Visualisierungen leichter einzuprägen
  • Andere Sichtweisen, mehr Beispiele und Veranschaulichungen als in der Vorlesung zeitlich möglich
  • Vielseitig und (grafisch) anderes Aufbereitet als Vorlesungen
  • Praktischer und Anschaulicher als Vorlesungen z. B. durch Rechenbeispiele nach Formelherleitung oder Ausführung von Code-Beispielen
  • Interaktivität durch Kommentare, anschließende Verlinkungen und Übungsaufgabenaufgaben zum Selbsttest
  • Keine Fahrtzeit zur Hochschule nötig

Frage: „Welche Nachteile/Probleme haben Videos beim Lernen gegenüber klassischen Vorlesungen?“

Bei Videos allgemein oder von der eigenen Hochschule:

  • Themenbehandlung zu allgemein/oberflächlich und Beispiele zu einfach
  • Unpersönlich, keine Interaktion oder direkter Austausch mit Dozierenden oder Studierenden möglich (für Fragen, Diskussionen etc.)
  • Eine Antwort regt an: „Unsere videobasierten Vorlesungen hatten immer direkte Kontaktmöglichkeiten mit Lehrenden“
  • Verzögertes Feedback (auch zur Videoqualität, Verbesserungsvorschlägen oder fehlerhaften Inhalten)
  • Langes Sitzen am PC, mehr als 30 Minuten sind zu lange
  • Weniger Aufmerksamkeit bei langweiligen Dozierenden → Videos müssen öfter geschaut werden
  • Weniger interessante Beispiele
  • Man kann nichts in die Hand nehmen. Praktische Fächer (Mechanik, Werkstoffkunde, Elektronik, Laborpraktika etc.) leiden darunter
  • Qualitätsansprüche der Videoproduktion sehr unterschiedlich zwischen verschiedenen Dozierenden
  • Oftmals kein Download möglich → Zugang nur an Orten mit guten Internetzugang
  • Videos fördern ein passives (sich berieseln lassendes) Lernverhalten
  • Schwerer einem Video zu folgen: öfter Pausen, weniger aufmerksam, öfter abgelenkt

Bei Videos aus fremder Quelle (z. B. YouTube):

  • Selbsternannte “Experten”, oft keine Nachprüfbarkeit und mangelnde Quellenangaben
  • Kommentare umständlicher zu formulieren als direkte Fragen, dazu selten Reaktionen auf Kommentare und deren Qualität ist ungewiss.
  • Nicht immer ist Lernstoff auf die Hochschule abgestimmt. Videoreihen etwas chaotisch.
  • Bei einzelnen Videos ist es dabei auch schwer, Fragen im Zusammenhang mit anderen Studieninhalten zu stellen.
  • Nicht immer können gute Videos zu einem Thema gefunden werden
  • Oftmals kein Download möglich → Zugang nur an Orten mit guten Internetzugang
  • Je nach Lehrperson sind sprachliche Barrieren und ggf. fehlende Wissensinhalte von beiden Seiten als Barriere zu sehen
  • Werbung

Frage: „Wenn ich an gute Lernvideos denke, fällt mir spontan was ein?“

Bezüglich Inhalt:

  • Zielgruppenorientiert (auch Videos, die einen Sachverhalt von 0 an erklären)
  • Klare Definition, welche Inhalte vermittelt werden sollen und was man mitnehmen sollte
  • Auf den Punkt gebracht
  • Geraffter, gut formulierter und klar strukturierter Inhalt
  • Erklärungen einfach und verständlich in einfachen Worten
  • Gut gewählte Beispiele (am besten verschiedene Beispiele und Methoden zeigen)
  • Quellenangaben
  • Im Video ist deutlich, welcher Inhalt aus welcher Quelle stammt

Bezüglich Ablauf:

  • „Einleitung – Inhalt – Wiederholung“
  • Immer wieder Zusammenfassungen bei längeren Videos
  • Strukturierte Videos mit Themenabschnitten mit Zeitangaben
  • Inhaltsübersicht eingeblendet

Bezüglich Gestaltung:

  • Nicht zu lang
  • Angenehme Lautstärke
  • Guter Ton, gutes Bild
  • Gute Ausleuchtung
  • Schöne, treffende Grafiken und Animationen (gerne auch gezeichnet) verwenden
  • Einblenden von Fotos, Tabellen, Graphen
  • Eingeblendete Grafiken/Bilder/Texte werden vorgelesen oder erklärt (Barrierefreiheit!)
  • Übersichtliche Darstellung
  • Vielseitige Themendarstellung
  • Beispielhafte/anwendungsbezogene Erklärungen im Zusammenhang mit rein theoretischen Grundlagen
  • Wichtige Markierungen
  • Klare Ausdrucksweise
  • Aussprache und Elan
  • Spaß/unterhaltend/locker
  • Interessant/fesselnd

Bezüglich Interaktivität:

  • Einfacher Zugriff
  • Zeitsprungmarken

Frage: „Wenn ich an schlechte Lernvideos denke, fällt mir spontan was ein?“

Bezüglich Inhalt:

  • Zu viel wird vorausgesetzt, wodurch Zusammenhang/Verständnis fehlt
  • Viel Plauderei/Gerede drumherum
  • Schlecht oder umständlich erklärt
  • (Unendlich) lange Herleitung ohne spezielle Anwendung
  • Falsche Informationen
  • Lückenhafte Informationen
  • Nicht aktuell
  • Zu viel eigene Meinung/Subjektivität
  • Den Videomachenden ist Selbstdarstellung wichtiger als Inhalt
  • Verweise zu wichtigen Lerninhalten auf unverständliche Sekundärliteratur
  • Keine veranschaulichenden Beispiele
  • Keine Quellen
  • Bezüglich Ablauf:

  • Schlecht strukturiert
  • Schlechte Vorbereitung
  • Durcheinander, chaotisch
  • Hin- und herspringen
  • Wiederholungen
  • Für das Verständnis relevante Inhalte und Anmerkungen werden beim Erklären übersprungen
  • Zu viele Informationen in zu wenig Zeit
  • Langsames Reden
  • Bezüglich Gestaltung:

  • Zu lang
  • Nur reden
  • Videos ohne Erklärung, nur mit Hintergrundmusik
  • Nur Ton, ohne Präsentation
  • Besprechung einzelner Präsentationsfolien in Überlänge
  • Powerpoint als Video
  • Aufnahme einer regulären Vorlesung (im Hörsaal)
  • Schlechte Ton-/Videoqualität (Auflösung/verpixelt, zu leise, undeutliche Sprache, nervige Störgeräusche im Hintergrund)
  • Alles in einem Versuch aufgenommen, fehlende Nachbearbeitung
  • Zu viele Pausen, schlecht geschnitten
  • Kein veranschaulichendes Bildmaterial
  • Zu viele Animationen, Musik und Text
  • Einseitige Sicht auf komplexe Themen
  • Nur eine Rechnung wird durchgeführt (ohne Beispiel)
  • Unlesbare Schrift (oft mit Maus geschrieben)
  • Fehlende explizite Hervorhebung der wichtigen Punkte
  • Undeutliche Sprache
  • Schlechte Ausdrucksweise
  • Monotone Vortragsweise
  • Krampfhaft versuchen, das Thema lässig zu erklären
  • Aus den genannten Kritikpunkten der Studierenden lassen sich einige Empfehlungen für die Lernvideoproduktion ablesen. Kurz und knapp zusammengefasst:

    • Zielgruppenorientierung: Lernvideos sollten sich am Vorwissen der Lernenden orientieren und das Publikum abholen. Auch der Zweck, zu dem die Videos geschaut werden (Klausurvorbereitung, Wiederholung, Vertiefung etc.), spielt eine Rolle bei der inhaltlichen Aufbereitung. Im Grunde orientiert sich bei der Produktion oder der Empfehlung von Videos alles, von der Wahl des Inhalts, Titels, Formats, Sprache, Tempo, Länge usw. am Publikum und den verfolgten (Lern-)Zielen des Videos.
    • Weniger ist mehr: Videos sollten nicht überfrachtet sein, sondern nur relevante und wesentliche Inhalte zeigen und erklären. Interessante Zusätze wie Anekdoten können eingebracht werden, aber nicht zu viele. Das gilt auch für Hintergrundmusik oder zusätzliche Bilder und Grafiken. Möglichst kurze Videos von idealerweise unter sechs bis maximal 20 Minuten sind ideal. Je länger ein Video ist, desto besser sollte es strukturiert und gegliedert sein. Vorlesungsaufzeichnungen sind bspw. eher unbeliebt.
    • Klare Lernziele vorab: Den Lernenden sollte klar sein, warum sie ein Video schauen. Aufgaben im oder nach einem Video können helfen, die Aufmerksamkeit zu binden und ein „sich berieseln lassendes Lernverhalten“ zu verhindern. H5P ist z. B. eine Möglichkeit, Videos in Moodle durch interaktive Elemente zu ergänzen. Panopto bietet die Möglichkeit, einfache Quiz-Aufgaben einzubauen. Alternativ kann auch einfach im Video eine Frage gestellt werden, die nach einer Pause oder der Bitte, das Video für die Dauer der Bearbeitungszeit anzuhalten, aufgelöst wird.

    Darüber hinaus sind natürlich auch eine gute Bild- und Tonqualität wichtig. Grafiken sollten nicht zu klein sein, was insbesondere dann wichtig ist, wenn Videos bevorzugt auf Smartphones geschaut werden. Zudem sind Untertitel und Audiodeskriptionen hilfreich für Studierende mit eingeschränktem Hörvermögen oder in lauten Umgebungen. Sie helfen darüber hinaus beim Anfertigen von Notizen. Wertvolle Tipps für das Gestalten von Videos und multimedialen Lerninhalten bieten die „Cognitive Load Theory“ von John Sweller und Paul Chandler und die sich daran orientierenden „12 Prinzipien des multimedialen Lernens“ von Richard Mayer.

    Im „Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien“ ist dies auf Deutsch ganz gut zusammengefasst. Das gesamte L3T-Lehrbuch ist sehr zu empfehlen. Auf Englisch findet sich hier eine Zusammenfassung inklusive veranschaulichender Beispiele zu jedem der Prinzipien.

    Beim Lernen mit Videos werden von den Befragten vor allem die Freiheiten geschätzt, die ein individuelles und selbstbestimmtes Lernerlebnis fördern. Das asynchrone Lernen mit Videos ermöglicht ein zeit- und ortsunabhängiges Studieren im eigenen Tempo und Rhythmus, was konträr zu den klassischen Vorlesungen (oder auch synchronen Videokonferenzen) steht. Darüber hinaus werden Videos als anschaulicher und anwendungsorientierter als Vorlesungen und Literatur empfunden. So gaben über ein Drittel der Befragten an, dass YouTube-Videos Vorlesungsinhalte regelmäßig bis öfter verständlicher erklären konnten als die eigenen Profs.

    Es werden aber auch diverse Nachteile wahrgenommen. Insbesondere die fehlende direkte Kommunikation und Interaktion mit Lehrenden und anderen Lernenden wird vermisst. Foren, Chats oder Kommentare sind hierfür kein vollwertiger Ersatz, die Kommunikation erfolgt dort meist stark zeitversetzt. Des Weiteren wird zwar die kompakte Wissensvermittlung geschätzt, aber auch bemängelt, dass es an Tiefe fehlt oder behandelte Beispiele zu einfach gewählt sind. Für praktische Fächer wie Mechanik, Werkstoffkunde oder Elektronik fehlt zudem ein „in die Hand nehmen“. Auch wenn Videos eine flexible Zeiteinteilung beim Lernen erlauben, fordern sie im Gegenzug aber auch mehr Eigenmotivation, damit Lektionen nicht aufgeschoben oder durch zu viele Pausen unterbrochen und in die Länge gezogen werden.

    Insgesamt haben Lernvideos einen festen Platz im studentischen Lernalltag gefunden. So wünschen sich knapp drei Viertel der Befragten mehr Video-Empfehlungen von Seiten der Lehrenden. Die überwiegende Mehrheit kann sich zudem auch künftig eine stärkere Integration von Lernvideos in das Studium vorstellen, sei es als Ersatz für eine Vorlesung oder in Form eines Blended-Learning-Konzepts wie dem Flipped Classroom, bei dem die Wissensvermittlung in Eigenverantwortung z. B. mit Hilfe von Lernvideos geschieht und die Präsenztermine für Übungen oder Vertiefungen genutzt werden können.

    Der Präsenzunterricht ist jedoch keineswegs unerwünscht. Er kann aber durch den Einsatz von Videos bereichert werden, für Abwechslung sorgen oder neue Sichtweisen auf ein Thema ermöglichen. Wenn keine eigenen Videos produziert werden, können Videoempfehlungen durch die Lehrenden den Studierenden Unsicherheit nehmen, was die oft mangelhaften Quellenangaben unter YouTube-Videos oder die Vereinbarkeit mit dem eigenen Lehrplan und Klausuren betrifft.

    Videos alleine machen aber noch keine bessere Lehre aus. Sie sollten didaktisch und pädagogisch sinnvoll eingesetzt und am besten mit einem klar kommunizierten Lernziel und durch Aufgaben begleitet eingesetzt werden, die in Selbstlernphasen mehr Struktur bieten und die Auseinandersetzung mit der Materie auch über das Anschauen der Videos hinaus fördern.

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